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Studie zu legalem Cannabis Fiskus könnte 2,4 Milliarden Euro einnehmen

Kanada kifft, ebenso wie neun US-Staaten: Sie haben Cannabis legalisiert. Was würde eine Freigabe für deutsche Staatskassen bedeuten? Eine Studie des Hanfverbands verspricht ein Milliardenplus.
Von Felix Sommerfeld
Marihuana-Pflanze

Marihuana-Pflanze

Foto: CARLOS OSORIO/ REUTERS

2,39 Milliarden Euro. So viel könnte der Fiskus durch die Legalisierung von Cannabis pro Jahr einnehmen und einsparen, unterm Strich.

Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie für den Deutschen Hanfverband (DHV), der gerne die Politik von den Vorteilen einer Legalisierung überzeugen möchte. Deshalb hat der Verband ein Autorenteam um Justus Haucap gebeten, die Folgen fürs Staatssäckel zu berechnen. Haucap ist Professor an der Universität Düsseldorf und war früher Vorsitzender der Monopolkommission.

Knapp 2,39 Milliarden Euro - wie entsteht diese Summe? Sie setzt sich zusammen aus Steuereinnahmen und Kosteneinsparungen - siehe die Tabelle unten. Einsparungen, das heißt konkret: Für die Verhütung, Verfolgung und Sanktionierung von Cannabisstraftaten muss bei der Polizei, den Staatsanwaltschaften und den Gerichten jedes Jahr Geld aufgewendet werden, sogenannte Repressionskosten. Die fallen dann weg.

Steueraufkommen und eingesparte Kosten durch eine Legalisierung von Cannabis

Steuerart Einnahmen in Euro
Cannabis-Steuer 650.000.000
Umsatzsteuer 403.750.000
Gewerbesteuer 25.673.390
Körperschaftssteuer 87.391.500
Lohnsteuer 145.182.755
Eingesparte Polizeikosten 1.077.070.230
Justiz (Gerichte, Staatsanwaltschaften, Justizvollzug) Keine Berechnung möglich
Gesamt 2.389.067.875

Quelle: DICE Consult GmbH im Auftrag des Deutschen Hanfverbands

Die Größe solcher Posten in der Zukunft zu berechnen ist nicht einfach, weil oft schon für die Gegenwart kaum belastbare Daten vorliegen. Hier errechneten Haucap und seine Mitarbeiter, welchen Anteil die Ausgaben für Cannabisverfahren an der Gesamtheit der polizeilichen Ermittlungskosten haben. Im Jahr 2016 wurden in Deutschland 3.790.506 Fälle aufgeklärt, 171.302 davon waren Cannabisdelikte - das sind 4,5 Prozent.

Nimmt man nun an, dass das auch dem Anteil an den gesamten Polizeikosten von 23,833 Milliarden Euro entspricht, gibt die Polizei jährlich 1,077 Milliarden Euro für die Aufklärung von Cannabisvergehen aus.

Den Wert sollte man nur als begründete Schätzung verstehen, denn natürlich sind nicht alle Arten polizeilicher Ermittlungsarbeit gleich teuer: Es kostet meist sicher mehr, einen Mord aufzuklären, als eine illegale Marihuanafarm auszuheben.

Andererseits sind hier nicht aufgeklärte Fälle gar nicht berücksichtigt. Das Polizeibudget berücksichtigt keine Gerichtskosten oder die Zahl der Strafbefehle von Staatsanwaltschaften. Also müsste man eigentlich die Kosten für erfolglose Ermittlungsarbeit, für Staatsanwaltschaft, Gerichte und Justizvollzug hinzurechnen, um die gesamte Rechtsdurchsetzung zu beziffern. Nur fehlen dafür belastbare Daten.

Kiffen für den Fiskus

Das zweite große ökonomische Argument für eine Cannabisfreigabe ist, dass sie "ein klares Potenzial für Steuereinnahmen" berge. Natürlich gibt es dazu keine offiziellen Zahlen über den legalen Konsum, solange Cannabis illegal ist. Und wie sich der Konsum bei einer Legalisierung entwickelt, ist kaum vorherzusehen, wie gerade der Fall Kanada gezeigt hat.

Hier haben sich die Autoren mit dem Pro-Kopf-Bedarf in Colorado, wo Cannabis legal ist, sowie bekannten Daten über das Nutzerverhalten in Deutschland beholfen. Auf dieser Grundlage wurde ein möglicher Verbrauch in Deutschland berechnet, nämlich ein jährlicher Gesamtbedarf von 250 Tonnen. Das ist das untere Ende der Schätzungen - sie reichen von 200 bis 600 Tonnen.

Um das Preisniveau zu bestimmen, hat sich Haucap am Schwarzmarkt orientiert - er liefert einen guten Anhaltspunkt für den Preis, der letztlich im Einzelhandel erhoben werden dürfte. Das Gros der Preise liegt dort zwischen 9 und 12 Euro pro Gramm, es wurde mit gerundeten 10 Euro gerechnet.

Nun wurde angenommen, dass der Staat eine Cannabissteuer erheben würde. Wahrscheinlich würde sie der Alkohol- oder Tabaksteuer ähneln. Dann könnte sie bei 2,60 Euro pro Gramm liegen, wenn die Einzelhändler Cannabis zum Bruttopreis von 10 Euro anbieten. Bruttopreis deshalb, weil ja auch Umsatzsteuer von 19 Prozent abgeführt würde, an der der Staat ebenfalls verdient.

Bei einem Gesamtbedarf von 250 Tonnen könnte eine Cannabissteuer also 650 Millionen Euro in die Staatskasse spülen, die Umsatzsteuer zusätzlich knapp 404 Millionen Euro.

Geldwolke auch für die Sozialkassen

Dabei bleibt es nicht. Jede staatlich regulierte Handelskette generiert Gewerbe- und Körperschaftssteuern, das gilt natürlich auch, wenn aus dem florierenden Schwarzmarkt ein legaler Wirtschaftszweig würde.

Fotostrecke

Cannabis-Legalisierung in Kanada: Meine erste legale Tüte

Foto: ALICE CHICHE/ AFP

Haucap hat sich für diese Schätzungen Wirtschaftszweige angeschaut, die er als "hinreichend vergleichbar" zum Cannabismarkt ansieht - der Tabakmarkt ist einer davon. So kommt er auf ein Gewerbe- und Körperschaftsaufkommen von mehr als 113 Millionen Euro.

Schließlich kämen noch Lohnsteuer und Sozialabgaben hinzu. Laut der Studie sei damit zu rechnen, dass knapp 20.000 Arbeitsplätze entstünden: Zum Beispiel könnte Hanf großenteils in Deutschland produziert und verarbeitet werden, anders als Tabak. Dadurch würde ein Lohnsteueraufkommen in Höhe von etwa 145 Millionen Euro generiert.

Außerdem könnten Renten-, Kranken- und gesetzliche Pflegeversicherung von diesen Beschäftigten insgesamt mehr als 279 Millionen Euro zusätzlich einnehmen. Auch das ist keine Lappalie.

Im Video: Cannabis-Boom in Deutschland

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